„So schlitterte ich zunehmend in dieses faszinierende, junge, sich rasch entwickelnde Gebiet der klinischen Elektrophysiologie…“ Prof. Breithardt im Gespräch mit dem AFNET Newsletter.
Prof. Günter Breithardt, Träger des in diesem Jahr erstmals verliehenen AFNET Lecture on Arrhythmias Awards.
(Bild: AFNET)
Herr Prof. Breithardt, Sie wurden heute mit dem AFNET Lecture on Arrhythmias Award für Ihre langjährige bahnbrechende Forschung auf dem Gebiet der Herzrhythmusstörungen ausgezeichnet, also sozusagen für Ihr Lebenswerk. Was bedeutet dieser Preis für Sie? Was war Ihr erster Gedanke, als Sie davon erfuhren?
Der Preis war eine doppelte Überraschung. Zunächst weil er gemeinsam von AFNET und DGK vergeben wird. Dies zeigt, welches Ansehen das AFNET in der DGK erreicht hat. Zudem hat es mich berührt, mit 80 Jahren eine Anerkennung jahrelanger Arbeit zu erhalten. Diese Anerkennung schließt die vielen engagierten und talentierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein, denen ich als Mentor diente.
„Der Preis war eine doppelte Überraschung“
Als Forscher haben Sie sich schwerpunktmäßig der Diagnostik und Therapie von Herzrhythmusstörungen gewidmet. Warum haben Sie sich für dieses Forschungsfeld entschieden?
Ich denke, meistens kommen solche Entwicklungen nicht durch gezielte langfristige Planung zustande, auch wenn im Rückblick ein roter Faden sichtbar wird. Während meiner Zeit als Assistent in der Pathologie unter Hubert Meessen in Düsseldorf kam ich durch Hans-Jürgen Knieriem in Kontakt mit seinen Untersuchungen zur Morphologie des Erregungsleitungssystems. Dann, im ersten Monat in der Kardiologie von Franz Loogen in Düsseldorf, probten Ludger Seipel und Ulrich Gleichmann die ersten Ableitungen vom His‘schen Bündel beim Patienten. Ich konnte technische Hilfe leisten, wobei mir meine als Schüler gemachten Erfahrungen mit Elektronik halfen. Eine Zeit lang hatte ich während der Schulzeit sogar daran gedacht, Elektroingenieur zu werden. So schlitterte ich zunehmend in dieses faszinierende, junge, sich rasch entwickelnde Gebiet der klinischen Elektrophysiologie. Wesentlich sind jedoch auch die Mentoren, die einem den Weg ermöglichen! Letztlich habe ich es nicht bereut, auch wenn ich mich im Laufe der vielen Jahren auch für andere Gebiete begeisterte.
Wenn Sie auf Ihre Karriere als Forscher zurückblicken, was waren Ihre spannendsten Arbeiten und Ergebnisse?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Immer wieder gab es interessante Ergebnisse, aber auch Rückschläge in unseren Projekten. Spannend waren die schließlich erfolgreichen Bemühungen, Mikrovoltpotentiale aus dem Bereich vernarbten Herzmuskelgewebes mithilfe der Signalmittelungstechnik an der Körperoberfläche zu registrieren und Ihre Bedeutung im klinischen Kontext zu identifizieren. Ernüchternd war die zunehmende Erkenntnis, dass diese Signale mit Reentry Tachykardien korrelierten, dass aber der gewünschte Beitrag zur besseren Voraussage des akuten Herztodes damit leider nicht möglich war.
„Es gab interessante Ergebnisse, aber auch Rückschläge“
Beeindruckend waren die ersten erfolgreichen Hochfrequenz-Ablationen, bei denen wir eine führende Rolle spielen durften. Dennoch war damals in keiner Weise zu ahnen, welches Ausmaß die Anwendung dieser, die Energie dosiert abgebenden Technik weltweit erreichen sollte. Dabei ist es der Bedeutung dieses Verfahrens nicht abträglich, dass inzwischen auch konkurrierende Techniken wie die Cryoablation oder die aktuell sehr favorisierte Pulsed Field Ablation als dosierbare Energiequellen zur Verfügung stehen.
Spannend und für viele Jahre State-of-the-art, war die Übertragung experimenteller, elektrophysiologischer Erkenntnisse auf die gezielte, d.h. Mapping-orientierte herzchirurgische Therapie von Kammertachykardien, wo unsere Aufgabe als Elektrophysiologen darin bestand, dem „Elektrochirurgen“ die Stellen zum Beispiel im Randbereich eines linksventrikulären Aneurysmas zu bezeichnen, die funktionell und morphologisch ausgeschaltet werden sollten. Dieses nur an wenigen Stellen weltweit geübte Vorgehen wurde dann abgelöst durch den Siegeszug des implantierbaren Defibrillator-Cardioverters, bei dessen Einführung in Deutschland wir, zusammen mit Hannover, Pate sein durften. Dennoch haben die Erfahrungen mit der Mapping-geleiteten anti-tachykarden Chirurgie uns später bei der Katheterablation von Kammertachykardien sehr geholfen.
Vor mehr als 20 Jahren war es Ihre Idee und Initiative, das Kompetenznetz Vorhofflimmern ins Leben zu rufen. Was hat Sie damals dazu bewogen? Und was war ausschlaggebend für den Erfolg?
Als ich Mitte 1999 (bis 2001) Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie war, machte das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine Ausschreibung für Kompetenznetze in der Medizin. Leider kam kein einziger Antrag aus dem Herz-Kreislauf-Bereich. Als es dann 2001 eine spezielle Ankündigung für Herz-Kreislauf-Forschung gab, hielt ich es für unerlässlich, sich mit einem eigenen Projektantrag an dieser kompetitiven Ausschreibung zu beteiligen. Wir waren eine Gruppe von vier befreundeten Kardiologen, die zunächst um das Thema kämpfen. Die Wahl fiel auf Vorhofflimmern. Dieses Thema lag nahe, denn Vorhofflimmern hatte damals schon erkennbar epidemiologische Bedeutung, und jeder einzelne von uns hatte bereits wesentliche Vorarbeiten auf diesem Gebiet vorzuweisen. In der ersten Runde gab es etwa 70 Anträge, in der zweiten Runde war diese Zahl, soweit ich mich erinnere, bereits auf etwa 10 bis 15 Anträge reduziert. Dass wir schließlich als eins von drei geförderten Kompetenznetzen durchkamen, hatte wohl etwas zu tun mit der Wichtigkeit des Themas, und mit unseren Projekten. Sie überzeugten nicht nur durch die Inhalte, sondern auch durch ihre Kohärenz.
„Unsere Projekte überzeugten durch ihre Kohärenz“
Wir können stolz sein, dass nach mehr als 20 Jahren unser Kompetenznetz seine Vitalität nicht verloren hat. In den letzten Jahren wurde die Geduld und Resilienz bei den oft sehr langwierigen randomisierten Studien durch hervorragende, international beachtete Ergebnisse belohnt.
Welche aktuellen Forschungsfragen zum Vorhofflimmern stehen heute im Fokus? Was sind dabei aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?
Im Vordergrund steht, das Verständnis für die Entstehung und den Fortbestand von Vorhofflimmern zu vertiefen, die Behandlung der Patienten zu verbessern und geeignete Wege zu finden zur Verhinderung von Vorhofflimmern. Gerade letzteres verlangt ein besseres Verständnis der Pathophysiologie des Vorhofflimmerns und der sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Prävention auf Bevölkerungsebene. Bei der Prävention sind wir, wie auch in anderen Bereichen der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, leider derzeit noch nicht ausreichend erfolgreich, um die Pandemie des Vorhofflimmerns einzugrenzen. Hierzu gehörten die Bekämpfung und die Vorbeugung von Übergewicht, hohem Blutdruck und die damit einhergehenden metabolischen Störungen. Etwas näher kommen wir inzwischen der individualisierten Betrachtungsweise des Vorhofflimmerns, basierend auf metabolischen und genetischen Markern.
Was raten Sie dem Kompetenznetz Vorhofflimmern für die Zukunft? Drei Ratschläge an den Vorstand:
Zunächst rate ich, die enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Einrichtungen und den einzelnen Forschenden in einer freundschaftlichen Atmosphäre aufrechtzuerhalten und fortzuführen, junge Forscherinnen und Forscher zu identifizieren und für unser Netzwerk zu begeistern. Zudem erscheint es mir wichtig, Eckpunkte für eine langfristige strategische Planung zu identifizieren und konsequent zu verfolgen. Und schließlich sollte die Internationalität unserer Arbeit fortbestehen und gerne weiter ausgebaut werden.
Die Fragen stellte Dr. Angelika Leute.